Wohnen im Landschaftsschutzgebiet: Echter Bedarf oder Bedürfnis Einzelner?


17. März 2017

Überaus kontrovers wurde im Warnemünder Ortsbeirat am Dienstagabend eine beabsichtigte Änderung des städtischen Flächennutzungsplans hinsichtlich der Ausweisung eines Wohngebietes zwischen Golfplatz und jetziger Solaranlage am Stolteraer Weg in Diedrichshagen diskutiert. Das Thema ist nicht neu und stand schon im August 2015 auf der Tagesordnung. Seinerzeit lehnte der Ortsbeirat den Prüfauftrag ab. (DWM berichtete am 13.08.2015)

Das Areal ist Teil des 60 Jahre alten Landschaftsschutzgebietes, LSG, Diedrichshäger Land. Als Schutzzweck  wurde in der entsprechenden Stadtverordnung der Hansestadt Rostock „… im Gebiet die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes zu erhalten, zu entwickeln und in Teilen des Gebietes wiederherzustellen sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes zu gewährleisten und die Erholungsfunktion zu erhalten. Insbesondere soll auf Sukzessionsflächen die Stabilisierung, Regenerierung und Weiterentwicklung von einzelnen Biotopen ermöglicht werden…“ definiert. Kommt es zu einer Änderung des Flächennutzungsplans ist es damit auf alle Zeiten vorbei!

Ohne eine, in diesem Fall aber sehr wichtige, weil nachvollziehbare, Visualisierung in Form einer Beamer-Präsentation stellte zunächst Ralph Müller, Leiter des Rostocker Stadtplanungsamtes die städtische Sicht auf die Dinge dar. Danach gehe die Stadtverwaltung von einem weiteren Bevölkerungsanstieg auf über 230.000 Einwohner bis zum Jahr 2035 aus. Benötigt würden neben Ein- und Zweifamilienhäusern auch mehrgeschossige Bauten mit Mietwohnungen um die Abwanderung der Bürger und Steuergelder in Nachbargemeinden zu stoppen. Besonders für das ostseenahe Wohnen gäbe es einem Gutachten zufolge einen großen Bedarf und weil Warnemünde ausgereizt sei, sei man auf freie Ackerflächen in Diedrichshagen gestoßen. Sechs in Frage kommende Areale wurden daraufhin untersucht und am Ende kristallisierte sich das Gebiet zwischen Golfplatz und jetziger Solaranlage am Stolteraer Weg als am „besten geeignet“ heraus. Es sei praktisch „alternativlos für ostseenahes Wohnen“. Das Gebiet nördlich und südlich der Doberaner Landstraße wurde als „eingeschränkt geeignet“ bewertet. Der Stadtplaner – er untersteht dem Bürgermeister direkt – ist sich dabei durchaus darüber im Klaren, dass es sich um „sensible Räume“ handele, warf aber zugleich die Frage auf: „Kommt man über die Hürde und wenn ja, wie?“

Über diese Hürde wollen jedoch weder der Ortsbeirat noch die anwesenden Besucher springen. In einer gemeinsamen Erklärung stellten sich alle sechs Fachausschüsse gegen das Ergebnis des Prüfauftrages. Begründung: „Die drei genannten Flächen befinden sich sämtlich im Landschaftsschutzgebiet Diedrichshäger Land … in dem es strikt verboten ist, bauliche Anlagen zu errichten… Die Fläche 2 (siehe Karte Vergleichsstandorte, Anm. d. Red.) führt durch westliche Verlängerung des Stolteraer Weges zu einer gravierenden Zerschneidung des LSG und gefährdet damit den Schutzzweck … Gleiches trifft auf die Flächen 3 und 4 längs der Landstraße zu, die die Landschaft zwischen Diedrichshagen und Warnemünde zubauen und den Biotopverbund zwischen dem Naturschutzgebiet Stolteraa an der Ostsee und dem südlichen LSG unterbinden.“ Ausnahmeregelungen, so heißt es in der Erklärung weiter, seien nur dann möglich, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit vorliegen. Diese Gründe lägen allerdings bei dem ins Feld geführten Bedarf oder besser Bedürfnis, weil Luxus für einige wenige, nicht vor!

„Vor ungezügelten Kommerz müssen wir uns schützen – wehret den Anfängen“, wetterte auch der Vorsitzende des Umweltausschusses, Matthias Ehlers, und er orakelt weiter, dass weitere küstennahe Bereiche folgen werden: 'Willkommen in ‚Elmenhagen‘ und ‚Diedrichsmünde‘, es ist keine Ende abzusehen!“  Auch für den Ortsbeiratsvorsitzenden Alexander Prechtel erschloss sich das Gemeinwohl nicht. „Das immer wieder angeführte Ko-Kriterium zum fehlenden Wohnraum reicht nicht aus. Man muss Wohnqualität auch erhalten und dazu gehören nun einmal die grünen Lungen im Stadtgebiet“, unterstrich der Warnemünder. Ortsbeiratsmietglied Prof. Dieter Neßelmann empfahl, zunächst vorhandene Möglichkeiten, etwa zwischen Lichtenhagen und Diedrichshagen auszuschöpfen – dort ist die Stadt bereits Eigentümerin von geeigneten Flächen und diese gehören nicht zum Landschaftsschutzgebiet.

Auch die anwesenden Gäste hielten mit ihrer Kritik nicht hinter den Berg: „Die Häuser und Wohnungen in Ostseenähe werden allesamt im hochpreisigen Segment angesiedelt sein, aber wann diskutieren wir endlich über sozialen Wohnungsbau?“, hinterfragte der Diedrichshäger Uwe Jahnke. Für ihn schließt sich schon allein deshalb ein öffentliches Interesse aus.

Einzig Beiratsmitglied Helge Bothur konnte sich für das Wohnen im Landschaftsschutzgebiet begeistern und warb für „Wohnen im Einklang mit der Natur“. Ein Auenland  a la J. R. R. Tolkien?

Der Ortsbeirat folgte am Ende der Empfehlung seiner Ausschüsse und votierte mit acht zu einer Stimme gegen das Ergebnis des Prüfauftrages. Der Bau- und Planungsausschuss der Rostocker Bürgerschaft will am kommenden Dienstag, den 21. März, über das Thema befinden und eine Entscheidung treffen. Das letzte Wort hat das Stadtparlament – die Rostocker Bürgerschaft. Es bleibt abzuwarten, ob der Bürgerwille respektiert und das Landschaftsschutzgebiet uneingeschränkt erhalten bleibt, denn so viel steht fest: Die Begehrlichkeiten, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, sind groß.

Foto: Günther Rausch


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