Das gibt es nicht alle Tage: Doppel-Kiellegung für die Seenotretter in Rostock


27. Oktober 2016

Eine Doppel-Kiellegung – wohlgemerkt nicht für einen Katamaran – ist auch für die erfahrenen Schiffbauer der Gehlsdorfer Tamsen Maritim-Werft nicht alltäglich. „Es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn man innerhalb kurzer Zeit so viel Vertrauen gewinnen kann“,  macht Geschäftsführer Christian Schmoll deutlich. Schon im Jubiläumsjahr der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, DGzRS, 2015 hatte Tamsen Maritim den ersten Neubau der Seenotretter auf einer Werft in Mecklenburg-Vorpommern nach der Wiedervereinigung abgeliefert. Das 10,1 Meter lange Seenotrettungsboot wurde am 150. Geburtstag der DGzRS in Bremen getauft. Drei weitere Schiffe des gleichen Typs mit den internen Bezeichnungen SRB 69, SRB 70 und SRB 71 hat die DGzRS in diesem Jahr bei Tamsen Maritim in Auftrag gegeben. Zwei davon wurden heute Vormittag in Rostock auf Kiel gelegt; ein weiteres folgt im kommenden Jahr.

Von Vertrauen, gleich in dreifacher Hinsicht, spricht auch DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler: „Es geht um Vertrauen hinsichtlich der Neubauten und laufender Reparaturen – auch da hat sich Tamsen Maritim in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Es geht aber auch um das Vertrauen der freiwilligen Seenotretter in diesen derzeit besten Schiffstyp und natürlich um das Vertrauen an die Spender, die diese Neubauten überhaupt möglich machen.“ Im konkreten Fall sind das zweckgebundene Erbschaften.
Durchschnittlich sind die Rettungseinheiten der DGzRS 30 Jahre im Einsatz. Rein rechnerisch ergibt sich daraus der Bedarf, jährlich zwei neue in Dienst zu stellen. Vor mehr als 25 Jahren jedoch standen die Seenotretter vor einer historischen Aufgabe: Nach der Wiedervereinigung galt es, die veraltete Technik in Mecklenburg-Vorpommern schnell zu modernisieren. Das gelang innerhalb von nur vier Jahren, nicht zuletzt dank großartiger Unterstützung der treuen Förderer der Seenotretter. 24 Neubauten hatte die DGzRS zwischen 1990 und 1994 in Dienst gestellt. Spätestens Anfang des kommenden Jahrzehnts müssen diese ersetzt werden. „Zweckgebundene Erbschaften versetzen uns in die Lage, für einige dieser Boote schon jetzt moderne Nachfolger zu bauen. Dafür sind wir sehr dankbar. Die beiden neuen Seenotrettungsboote, die heute auf Kiel gelegt wurden, gehören dazu. Sie erhalten Namen nach den Wünschen ihrer Spender“, erläutert Stadeler.

Die Neubauten werden modifizierte Nachbauten der bewährten 9,5-/10,1-Meter-Klasse . Bereits 20 Einheiten dieser Klasse haben sich in zahlreichen Einsätzen auch unter extremen Bedingungen zur Zufriedenheit der Besatzungen hervorragend bewährt. Wie alle DGzRS-Einheiten werden sie als Selbstaufrichter konstruiert und vollständig aus Aluminium im bewährten Netzspantensystem gebaut. Dieser Bootstyp zeichnet sich durch hohe Seetüchtigkeit aus. In Grundsee und Brandung besitzt er hervorragende See-Eigenschaften, manövriert einwandfrei, übersteht heftige Grundstöße und ist in der Lage, dank des rundumlaufenden Fendersystems auch bei höheren Fahrtstufen und unter erschwerten Bedingungen bei Havaristen längsseits zu gehen. Die Boote werden mit modernster Navigationstechnik, leistungsstarken Schlepp- und Lenzgeschirren sowie einer umfangreichen Ausrüstung zur medizinischen Erstversorgung ausgestattet.

Einer alten Schiffbautradition folgend wird jeweils eine Münze an Bord bei jedem Einsatz mitfahren. Die 21jährige Verena Krämer ist seit März 2016 freiwillige Seenotretterin auf dem Warnemünder Seenotrettungskreuzer Arkona und legte die Zwei-Euro-Münze in eine Sektion des Neubaus SRB 69 ein. Für das Schwesterschiff SRB 70 übernahmen diese ehrenvolle Aufgabe das beliebte Warnemünder Original Mariken alias Marita Bojarra und der als Vormann Jantzen präsente Gernot Schumann. Mariken zählt selbst zu den ehrenamtlichen Mitstreitern der Seenotretter an Land und auch der Darsteller des weithin bekannten Warnemünder Lotsenkommandeurs und Seenotretters Stephan Jantzen (1827-1913) engagiert sich seit langem für die Seenotretter. Die beiden Münzen sollen Schiffsführung und Besatzung Sicherheit, Glück und Gesundheit verheißen. Gleiches gilt für die Schiffbauer der Werft. Während in früheren Zeiten in der gesamten Bauzeit ein Geldstück unter dem Kiel auf dem Boden der Schiffbauhalle lag und im Laufe der Bauzeit durch ansteigendes Gewicht regelrecht plattgedrückt wurde, finden bei der modernen Bauweise „kieloben“ die Münzen ihren Platz jeweils in einer speziellen Öffnung in der Bausektion.

Mehr als 800 Seenotretter der DGzRS sind auf Nord- und Ostsee ehrenamtlich im Einsatz. Die neuen Seenotrettungsboote werden von reinen Freiwilligen-Besatzungen gefahren. Für jeden Neubau sind etwa eine Million Euro veranschlagt. Im Herbst 2017 und Anfang 2018 sollen die ersten beiden Spezialboote abgeliefert werden. Über ihre Stationierung hat die DGzRS noch nicht endgültig entschieden.

Drei weitere 10,1-Meter-Seenotrettungsboote sind bei der Werft Fr. Fassmer in Berne an der Unterweser im Bau beziehungsweise in Auftrag gegeben. Der Bau aller neuen Rettungseinheiten der Seenotretter ist im Internet zu verfolgen: www.seenotretter.de/werfttagebuch.

60 Seenotrettungskreuzer und -boote setzt die DGzRS von 54 Stationen in Nord- und Ostsee ein. Im Mittelpunkt des Rettungswerkes steht trotz aller Technik nach wie vor der Mensch. Ohne die freiwillige Bereitschaft der Seenotretter zu ihren nicht selten gefahrvollen Einsätzen wäre die Arbeit der DGzRS nicht denkbar. Jahr für Jahr fahren die Einheiten der Rettungsflotte mehr als 2.000 Einsätze auf Nord- und Ostsee, finanziert ausschließlich durch Spenden und freiwillige Beiträge.


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